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Studie offenbart: 65 Prozent weniger Prostituierte in Deutschland als angenommen!

Studie offenbart: 65 Prozent weniger Prostituierte in Deutschland als angenommen!

Junge Frau auf dem Bett bei rotem Licht

Deutschlands Ruf als „Bordell Europas“ gerät ins Wanken. Laut einer aktuellen Studie des Erotikportals Erobella sind weitaus weniger Sexarbeitende hierzulande tätig als angenommen. Woher stammen die exorbitant hohen Zahlen und was sagen die neuen, validen Werte über die Situation von Sexarbeiter*innen aus? Wir haben die neue Studie und die Zahlen genauer unter die Lupe genommen.

Erobella-Studie stellt klar: 88.800 statt 400.000 Sexarbeiter*innen in Deutschland

Googelt man die Frage, wie viele Sexworker*innen es in Deutschland gibt, poppt ein Wert von 200.000 bis 400.000 auf – eine große Spanne, die sehr ungenau ist. Auf eine ähnliche Zahl kommt auch die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär. Sie schätzt die Anzahl der Sexarbeitenden auf 250.000 und plädiert für die Einführung des Nordischen Modells. Auch diese Zahl ist nicht belegbar. 

Erobella, eines der größten Paysex-Portale Deutschlands, setzt sich für die Interessen von Sexarbeitenden ein. Um die reale Anzahl zu ermitteln, arbeiten sie mit Organisationen, Universitäten und anderen Wissenseinrichtungen zusammen. 

Für die Ermittlung wurde die tatsächliche Zahl der registrierten Prostituierten in den 20 größten deutschen Städten errechnet. Für 14 davon gibt es verlässliche Schätzungen für die tatsächliche Anzahl der Sexarbeiter*innen. Aus den registrierten und geschätzten Zahlen ergab sich, dass auf jede registrierte sexarbeitende Person 2,14 nicht registrierte Sexworker*innen kommen. 2022 gab es 28.280 registrierte Prostituierte in Deutschland. Aus den Daten ergibt sich ein Koeffizient von 3,14, der zu einer tatsächlichen Anzahl von 88.800 Sexarbeiter*innen führt. Eine Zahl, die weit entfernt von den offiziellen 200.000 bis 400.000 ist.

Nur ein Drittel der Prostituierten ist staatlich registriert

Auch wenn es laut der neuen Studie 65 Prozent weniger Prostituierte in Deutschland gibt als angenommen, sind zwei Drittel von ihnen nicht registriert. Die Dunkelziffer liegt bei 60.520 nicht registrierten Sexworker*innen – weitaus weniger als vermutet, aber dennoch hoch. 

Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In Berlin gibt es 1.585 offizielle Sexarbeitende und eine geschätzte Anzahl von 8.000 – eine Differenz von 405 Prozent. Mit Abstand dahinter sind Hamburg mit einer Differenz von 206 Prozent und Köln mit einer Differenz von 203 Prozent. Klar ist allerdings, dass Deutschland nicht der „Puff Europas“ ist, wie laut diverser Medien die angeblich enormen Zahlen beweisen. 

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Veraltete Schätzungen prägen ein falsches Bild der Prostitution in Deutschland

Die veralteten Zahlen, die wahrscheinlich auf Schätzungen von 1985 basieren, sorgen für Probleme. Diese Werte stammen von einer Tagung des Sozialdienstes katholischer Frauen und der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz – die Dunkelziffer soll noch mal so hoch gewesen sein. Die Zeitschrift EMMA übernahm die Zahl und die Zeitschrift Welt schrieb von mindestens 200.000. 

Die Organisation Doña Carmen hat eine Anzahl von 90.000 Sexworker*innen ermittelt. Für sie gehören die Zahlen 200.000 bis 400.000 „ins Reich der Fantasie, denn es handelt sich dabei um nicht erfahrungs- und evidenzbasierte Schätzungen. Ihr primäres Anliegen ist es nicht, eine wissenschaftlich fundierte Auskunft zu geben, sondern politische Strategien zu bedienen. […] All diese Momente sind dazu geeignet, das Prostitutionsgewerbe hierzulande als monströses ‚Bordell Europas‘ erscheinen zu lassen, dem man nur mittels repressiver Reglementierung beikommen könne.“ Organisationen wie Doña Carmen wünschen sich ein realistisches Bild der Prostitution und Aufklärung.

Danach strebt auch Erobella, wie Ola Miedzynska, Mitgründerin des Portals bestätigt: „Wir müssen der Realität ins Auge sehen: Die realen Zahlen zeigen, dass Sexarbeit in Deutschland nicht das monströse Bild ist, das oft gezeichnet wird. Statt Stigmatisierung und Übertreibung braucht die Branche Aufklärung und Unterstützung.“ Nur mit reellen Zahlen lassen sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden nachhaltig verbessern. 


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