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Studie bestätigt: Deutschland ist gegen ein Prostitutionsverbot

Studie bestätigt: Deutschland ist gegen ein Prostitutionsverbot

Prostituierte steht vor einem Bett

Sexarbeit ist in Deutschland immer noch tabuisiert und führt zu lagerübergreifenden Diskussionen in Politik und Gesellschaft. Doch eine neue Studie zeigt: Bei aller Polarisierung sprechen sich die Deutschen klar gegen ein Verbot der Prostitution aus.

Zum Hintergrund der Sexarbeit-Studie

Zu der Frage, was die Deutschen über die Sexarbeitsbranche denken, gab es bislang kaum gesicherte Erkenntnisse. Das Sexanzeigen-Portal Erobella startete in diesem Spätsommer deshalb den Versuch, Licht ins Dunkel der öffentlichen Meinung zu bringen. 

Im Rahmen einer repräsentativen Studie mit dem Titel „Was denken die Deutschen über Sexarbeit?” wurden 1.009 Teilnehmer*innen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren nach ihrer Meinung zur Sexarbeit befragt. 

Kein Schwarz-Weiß-Denken beim Thema Sexarbeit 

Die Ergebnisse der Studie zeigen zunächst eines ganz deutlich: Wer die Sexarbeit kategorisch ablehnt, ist sich ihrer Vielfalt nicht bewusst. Denn unter den Begriff fällt ein Vielfaches mehr als das „klassische” Bild von jungen Frauen, die in Puffs arbeiten oder auf dem Straßenstrich stehen. Sexarbeitende, das sind z. B. auch Pornodarsteller*innen, Dominas und Webcam-Girls, die ihre Tätigkeit ausschließlich über das Internet ausüben. 

Die Meisten der Befragten sind gegen Prostitutionsverbot
58 % der Befragten glauben, dass das Internet den Sexarbeitenden die Möglichkeit gibt, selbstbestimmt ihre Tätigkeit auszuüben. Grafik: Erobella

58 % der Befragten sind davon überzeugt, dass diese neu entstandenen Kanäle den Sexarbeitenden die Möglichkeit bieten, ihren Job selbstbestimmter auszuüben. 54 % gehen auch davon aus, dass Sexwork Spaß machen kann. 42 % der Umfrage-Teilnehmer*innen glauben, dass die Prostituierten heutzutage besser vor Gewalt und Ausbeutung geschützt sind als früher. Aufgrund der modernen Formen und Möglichkeiten von Sexarbeit im Internet, unabhängig von Zuhältern und Zwangssituationen in Bordellen, kommen wohl viele zu diesem Schluss. 

Ein Verbot von Prostitution ist keine Lösung

Deutschland verfügt über ein vergleichsweise liberales Prostitutionsgesetz. In vielen Teilen der Welt ist Sexarbeit aber illegal und kriminalisiert. Zumeist steht sowohl das Angebot als auch die Nachfrage sexueller Dienstleistungen unter Strafe. Eine Verschärfung der Regelungen hierzulande, so zeigt die Studie, ist trotz aller Schwierigkeiten nicht gewünscht.

Nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass die deutsche Gesetzesgrundlage für Prostitution unzureichend ist. Ein generelles Verbot stößt bei den Befragten auf noch breitere Ablehnung. Prostitution, so sind sich die Befragten sicher, war schon immer ein Teil der Gesellschaft und wird es auch in Zukunft bleiben. 14 % der Befragten geben an, schon einmal selbst sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen zu haben.  

Kein „Nordisches Modell” für Deutschland

Um Sexarbeitende vor Diskriminierung zu schützen, hat sich in Schweden das „Nordische Modell” etabliert. Bei dieser Form der asymmetrischen Kriminalisierung werden nur die Freier, nicht aber die Prostituierten selbst bestraft. 

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Folgt man den Ergebnissen der Erobella-Studie, so trifft das Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild in Deutschland jedoch auf keine mehrheitliche Zustimmung. Gerade einmal 20 % würden die Einführung des „Nordischen Modells” begrüßen. Besonders hohe Ablehnungsraten gibt es in Bremen, Sachsen und Niedersachsen. Nur in Hamburg könnte der Vorschlag mehrheitsfähig werden.

In allen Bundesländern wird Prostitutionsverbot abgelehnt
Hamburg ist eines der wenigen Bundesländer, in denen das „Nordische Modell” von einem großen Anteil der Bevölkerung befürwortet wird. Screenshot: Erobella.com

Sexarbeit – ein Job, wie jeder andere auch?

Für 65 % der Befragten sollte Sexarbeit wie jede andere Tätigkeit behandelt werden. Aber ist die Sexarbeit wirklich ein ganz normaler Job? 

Hier darf man selbstverständlich geteilter Meinung sein – auch wenn Sexarbeiterin River Roux erklärt: „Fakt ist, dass Sexarbeitende Menschen sind, die sich aus diversen Gründen für die Ausübung ihres Berufs entschieden haben. Es steht uns nicht zu, diese Entscheidung von oben herab zu bewerten oder anzuzweifeln. Das zu tun bedeutet, Sexarbeitenden pauschal ihr Recht auf Selbstbestimmung und ihre Mündigkeit abzuerkennen. […] Keine Arbeit ist durch Kriminalisierung jemals sicherer geworden.”

Auch wenn manch eine politische Bewegung den Versuch unternimmt, die Sexarbeit als solche zu kriminalisieren – für die allermeisten Befragten steht fest: Ein generelles Prostitutionsverbot kommt überhaupt nicht in Frage. 


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