Es ist eine angespannte, geladene Szene wie aus einem heißen Erotikstreifen. Ein Paar führt einen hitzigen Streit, das Beben ihrer Stimmen wird lauter, Fetzen fliegen und nach einem Moment der Stille, fallen beide plötzlich wie im Wahn leidenschaftlich übereinander her. High vom Adrenalin und in voller Ekstase geben sie sich dem sexuellen Rausch hin. Sie erleben unmittelbar nach diesem Tief den ultimativen Höhepunkt. Dieses magische Schauspiel des Sex nach einem Streit wird auch als Versöhnungssex definiert, der vermeintlich beste seiner Art.
Versöhnungssex ist wichtig für die Beziehung
„Nach einem großen Streit habe ich ihm den besten Blowjob gegeben, den er je hatte. Ich habe alle Tricks angewendet, die ich kenne, und meinen Mund ständig bewegt. Er war so geflasht, dass er am nächsten Tag Blumen in mein Büro schickte und Rosen nach Hause brachte“, sagt Annette, 34. Damit bringt sie auf den Punkt, warum Versöhnung durch Sex so unverschämt leidenschaftlich sein kann.
Versöhnungssex nach einem Streit bringt uns zurück in einen Zustand der Verbundenheit mit unserem Partner oder unserer Partnerin. Er lässt uns aufgestaute Emotionen in sexueller Form ausleben. Denn während einer aufgeheizten Stimmung ist es beinahe unmöglich, ein Gespräch zu führen.
Und genau hier sieht Lucy Rowett, klinische Sexologin und Sexcoach, die Gelegenheit, Versöhnungssex als Friedensstifter einzusetzen. Er hilft dabei, das Kriegsbeil auf eine charmante, non-verbale Art erstmal zu begraben, ohne unbedingt in das „Gefühlsdrama“ einsteigen zu müssen. Zudem bereitet es wesentlich mehr Spaß, sich durch animalischen, leidenschaftlichen Sex zu vertragen, anstatt sich sofort an einen Tisch zu setzen und Dinge auszudiskutieren.
Was Sex nach einem Streit, so leidenschaftlich macht
Das Streiten kann für viele Paare eine Art Vorspiel mit Worten darstellen. Es kann Körper und Geist in einen erhöhten Erregungszustand versetzen.
Das liegt laut Dr. Megan Fleming, eine in New York City ansässige Paartherapeutin, daran, dass ein Streit die Gefahr einer Trennung darstellt und somit bei den Beteiligten eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion auslöst. Das Herz schlägt schneller, die Atmung ist unregelmäßig und Adrenalin pumpt durch die Adern. Exakt die gleichen körperlichen Anzeichen wie bei sexueller Lust.
Die Psychologie hinter Versöhnungssex
„Er bricht mitten im Satz ab und sagt: ‚Deine Haut glüht, wenn du wütend bist‚ oder ‚Deine Nippel sind hart unter dem T- Shirt.‚ Es macht mich mega an, zu wissen, dass ich seine Konzentration jederzeit brechen kann“, sagt Gina gegenüber dem Magazin Redbook.
Lust, Schmerz, Angst und fast jedes andere intensive Gefühl setzen im Körper Chemikalien und viel wichtiger Energie frei. Sobald beide Partner*innen eine gewisse Betriebstemperatur erreicht haben, kann sich die entfachte Wut schnell in sexuelle Spannung verwandeln. „Ob es nun Angst oder Aufregung ist, es ist immer noch Erregung“, meint Fleming.
Dr. Justin Lehmiller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kinsey Institute und Autor des Blogs Sex and Psychology, bezeichnet dieses Phänomen als Erregungsübertragung. „Im Grunde ist die Idee, dass Sie die erregte Intensität durch einen Streit mit Ihrem Partnetr ins Schlafzimmer übertragen und somit darauffolgenden Sex intensiver gestalten“, erklärt er.
Lieber Sex als Sorry?
Ob es überhaupt funktioniert mit der Versöhnung und dem Sex, hängt laut Forscher*innen der Buckell University in Lewisburg mit der Streitsituation und der Streitqualität zusammen. Denn nicht immer liegt die Lösung eines Problems darin, übereinander herzufallen. Bagatellen und alltägliche Reibereien lassen sich eventuell so aus der Welt schaffen. Doch belastende Themen, die immer und immer wieder einen Streit vom Zaun brechen, eher nicht.
Und oftmals sind laut Pam Shaffer, eine lizenzierte Ehe- und Familientherapeutin, die Chancen für den Sex danach auch besser, wenn man sich tatsächlich erstmal versöhnt. Diese Ansicht wird ebenfalls von zwei neuseeländischen Psychologinnen, Jessica Maxwell und ihrer Kollegin Andrea Meltzer, in ihrer Studie aus dem Jahr 2020 bestätigt. Laut dieser vergeht 72 % der befragten Frauen erstmal jegliche Lust auf Intimität nach einem Streit.
Ist Versöhnungssex der beste Grund, sich zu streiten? Ein klares Jein!
So reizvoll auch Erfahrungen mit Versöhnungssex erscheinen, ist es nicht immer ratsam, den Partner oder die Partnerin während einer Auseinandersetzung ins Schlafzimmer zerren zu wollen. Es gibt kein Handbuch und keine goldenen Tipps, wie man es mit dem Versöhnungssex am besten anstellt.
Signale richtig wahrzunehmen und eine klare Kommunikation sind hierbei das A und O. Es bleibt kein Raum zum Spekulieren. Versöhnung durch Sex ist eine gute Sache, aber nur solange er angemessen erscheint und im Einvernehmen passiert. Wenn der Partner oder die Partnerin lieber reden möchte anstatt sich die angestaute Wut aus dem Leib zu vögeln, dann nimmt man besser kurz eine kalte Dusche und sucht das gemeinsame Gespräch.
Denn Versöhnungssex sollte in einer gesunden Beziehung niemals ein klärendes Gespräch ersetzen oder eine angebrachte Entschuldigung unausgesprochen lassen.
