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Die Überbleibsel der sexuellen Revolution: 3sat zeigt „Sex, Porno und die Freiheit der anderen“

Die Überbleibsel der sexuellen Revolution: 3sat zeigt „Sex, Porno und die Freiheit der anderen“

Doku Sex Porno und die Freiheit der Anderen

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Liebe, Sex und Partnerschaft von vielen Tabus befreit. Das befreite vor allem die Frauen. Dann gewann der Kommerz oft die Oberhand. Heute herrschen Kommerzialisierung, Suche nach Identität und neue Prüderie. Die damals angestrebte Befreiung von allen gesellschaftlichen und moralischen Fesseln blieb Utopie. 

Die Dokumentation „Sex, Porno und die Freiheit der anderen“ von Florian Kröppel und Kurt Langbein am Mittwoch, 3. August 2022, 20.15 Uhr, blickt auf das, was von der sexuellen Revolution blieb. Eine Erstausstrahlung.

„Sex, Porno und die Freiheit der anderen“ rechnet mit der sexuellen Revolution ab

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine Sexualmoral, die geprägt war von Tabus und Drohbotschaften. Klar getrennte Geschlechterrollen und romantisierte Häuslichkeit waren die vorherrschende Lebensform. Homosexualität war pathologisiert und kriminalisiert. Und auch wenn die ersten Pin-ups der amerikanischen GIs die Fantasie der Männer auf ein ungeahntes Niveau beförderte: Die Sexualität war – zumindest an der Oberfläche – unfrei.

Christa Schwertsik hat sexuelle Revolution miterlebt und trifft auf ihre Enkelin
In der Doku trifft u. a. Christa Schwertsik, die die sexuelle Revolution miterlebt hat, auf ihre 22-jährige Enkelin. Foto: ZDF/ORF/Langbein & Partner

Eine Ära, die Christa Schwertsik noch in lebhafter Erinnerung hat. Die im Krieg geborene österreichische Schauspielerin trifft ihre Enkelin Fanny Altenburger, um über die Lust von damals und den Sex von heute zu sprechen. Dass die 22-jährige Enkelin Beziehungen mit beiderlei Geschlecht pflegt, scheint die Großmutter kaum zu überraschen: „Ich glaube, dass es Beziehungen der verschiedensten Art immer schon gegeben hat. Du kannst nur jetzt das offener zeigen oder offener leben in dieser oder jener Konstellation. Aber ich glaube nicht, dass die Menschen sich geändert haben.“ 

Doku spannt den Bogen zu aktuellen Fragestellungen in Bezug auf Sexualität

Heute scheinen die Moralvorstellungen der 1960er-Jahre wie ein Schatten aus einer dunklen Epoche. Der Aufbruch und die sexuelle Revolution haben Enttabuisierung, aber auch Kommerzialisierung gebracht. Heute haben vor allem Jugendliche andere Probleme und Fragestellungen in Bezug auf ihre Sexualität: Welches Geschlecht habe ich? Welche Sexualpartner präferiere ich – und wenn ja, wie viele? Wie entziehe ich mich der ständigen Präsenz der Pornografie? Sind nun alle Tabus gefallen?

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Für den Wiener Sexualwissenschaftler Johannes Wahala ist die Zeit einer von oben gelehrten Moral längst vorbei. Stattdessen sei es notwendig geworden, individuell die Grenzen von Richtig und Falsch festzulegen. Das Kultivieren einer offen ausgesprochenen Konsensmoral hat sich auch der Wiener Verein „Die Schwelle“ zum Ziel gesetzt. Seit 2013 besteht dort ein sexpositiver Raum. Es sind vor allem die Workshops, die das Publikum anlocken. Beim sogenannten Play-Fight wird das Ja- und Nein-Sagen geübt. 

Sexpositiver Raum mit Play Fight Work Shop
Viele sexpositive Räume mit Workshops wie Play-Fight haben sich in den letzten Jahrzehnten etabliert. Foto: ZDF/ORF/Langbein & Partner

Solche Angebote standen Ute und Johann Giffey nicht zur Verfügung, als sie sich in den 1980er-Jahren ineinander verliebten. Die Sexualtherapeutin und der Sexualtherapeut leiten seit über 25 Jahren eine gemeinsame Praxis in Linz. Kaum etwas, was sich in Schlafzimmern der Menschen abspielt – oder eben nicht abspielt – ist den beiden fremd. Sie sehen große Fortschritte, die seit der sexuellen Revolution gemacht wurden. In Hinblick auf ihre eigene Jugend bemerken aber auch sie, dass sich eine neue Prüderie in die Gesellschaft einschleicht.


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